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Wohlstand für alle oder sittenlose Arbeitswelt?

Wir bedanken uns herzlich für den Besuch durch unsere Referenten Leni Breymaier und Rüdiger Denkers im Rahmen der Vortragsreihe „Querdenken ermöglychen“. Unser weiterer Dank gilt NWZ-Redakteur Axel Raisch, der uns den nachfolgenden Beitrag freundlicherweise zur Verfügung stellt.

Die Zukunft der Arbeitswelt stand im Mittelpunkt einer Diskussion in der Reihe „Querdenken ermöglychen“ am Mörike-Gymnasium. Durch den Abend rund um die Leitfrage „Die Arbeitswelt im Wandel – Wer wird künftig überhaupt noch arbeiten?“ führten die drei MöGy-Oberstufenschülerinnen Laura Gauch, Tanja Grieb und Katharina Pohl in Anwesenheit von zahlreichen Schülern, Lehrern und interessierten Bürgern.

Der Abend war thematisch geordnet, so dass zwei schlagfertige, im besten Sinne streitlustige und redegewandte Diskutanten innerhalb der vorgegebenen Fragestellungen mit Witz und Emotion sowohl Informationen zu transportieren als auch Positionen klar abzustecken vermochten und bei aller Ernsthaftigkeit auch der Unterhaltungswert nicht zu kurz kam. So hob sich das Gespräch durch Substanz und Gegensätze wohltuend von allzu konsensgeschwängerten Worthülsenpodien ab. Zu entdecken gab es aber auch etliche Gemeinsamkeiten.

Bereits in der Begrüßung hatte Schulleiter Karim Doosry darauf hingewiesen, dass die Veränderungen in der Arbeitswelt auch einen „tiefgreifenden sozialen Wandel“ bedeuteten. Mit spürbarer Leidenschaft warb die amtierende Landesvorsitzende der Dienstleistungsgesellschaft ver.di, Leni Breymaier, für einen gesamtgesellschaftlichen Zukunftsplan als Reaktion auf den Wandel der Arbeitswelt. „Es können alle profitieren, man muss es nur wollen.“ Dagegen glaubt sie, dass es „viele Verlierer geben wird, wenn wir es laufen lassen. Wir müssen daher gestalten.“ Kein Vertrauen hat die designierte SPD-Landeschefin in die Marktkräfte: „Der Markt wird gar nichts regeln, dann wird es Massenarmut geben.“

Der Geschäftsführer des Arbeitgeberverbandes Südwestmetall im mächtigen Bezirk Neckar-Fils, Rüdiger Denkers, warnte davor, den ersten vor dem zweiten Schritt zu machen, zumal man seiner Auffassung zufolge auch hinsichtlich der Arbeitnehmerrechte gut aufgestellt sei. Souverän agierte der einer Arbeiterfamilie entstammende Jurist trotz einer spürbar kritischen Stimmung gegenüber seinen Positionen im Publikum. Ein ehemaliger MöGy-Lehrer ging mit Denkers in der freien Diskussionsrunde besonders hart ins Gericht: „Was Sie vertreten, ist eine sittenlose Arbeitswelt!“

Unterschiedliche Bewertungen gab es auch hinsichtlich der Prognose des Arbeitsmarktes. Während die Veranstalter anhand einer Studie einen erheblichen Rückgang prognostizierten, verwies Denkers auf Untersuchungen die das Gegenteil oder gleichbleibende Zahlen voraussagten. „Ich bin von Studien nicht sonderlich begeistert.“

Einig waren sich Breymaier und Denkers dagegen bei der Unumgänglichkeit des Wandels. Die Gestaltung dessen förderte jedoch zentrale Unterschiede zutage. Als Beispiel führte Denkers den Widerstand der Hufschmiede und Kutscher bei der Einführung des Automobils an. Diese Arbeitsplätze seien damals tatsächlich verlorengegangen, dafür seien aber eine Vielzahl in der Automobilindustrie und der Zulieferindustrie entstanden. „Hätten die Hufschmiede eine schlagkräftige Gewerkschaft gehabt, die „Nein!“ gesagt hätte, wäre die automobile Erfolgsgeschichte in Deutschland nicht so geschrieben worden“, meint der Arbeitgebervertreter.

Breymaier sorgt für Maigefühle im Herbst

Breymaiers Ansatz zielte immer wieder in Richtung Umverteilung zur Sicherung des sozialen Friedens und der Handlungsfähigkeit des Staates. Daher legte sie auch einen Schwerpunkt auf fiskalische Maßnahmen und ließ einen Hauch 1. Mai durch das Mörike-Gymnasium wehen: „Wir haben keinen Konflikt Jung gegen Alt, sondern Arm gegen Reich“, so die Gewerkschafterin. Dabei brachte sie auch die Vermögenssteuer ins Spiel. Auch Denkers sieht Handlungsbedarf im Steuerrecht – obgleich in ganz anderer Hinsicht als die ver.di-Vorsitzende.

Während Denkers betonte, die Schule müsse zu grundlegenden Denkfähigkeiten befähigen, betonte Breymaier, dass Schule aufs Leben und nicht auf den Markt vorbereiten müsse: „Schülerinnen und Schüler müssen nicht nur dressiert werden, um zu funktionieren.“ Einig waren sich beide, dass Lernen Spaß machen müsse.

Beim Thema Grundeinkommen herrschte ebenfalls Konsens. Breymaier findet es „blöd“, da weder die Finanzierung klar sei noch die unterschiedlichen Bedürfnisse berücksichtigt würden. Denkers sieht in der Ungleichheit einen motivierenden Effekt.

Die Diskussion wird wohl eine Fortsetzung finden. Denn beim Thema Rente wurde deutlich, dass etliche Fragen in einer gesonderten Veranstaltung behandelt werden sollten. Beide Diskutanten meldeten spontan ihre Bereitschaft an, dieses Thema erneut aus zwei Blickwinkeln zu beleuchten. Der bei der Veranstaltung federführende Lehrer des Mörike-Gymnasiums, Ralf Engel, nahm das Angebot gerne an.