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Schüler gestalten den öffentlichen Raum

In einem zweitägigen Workshop mit dem Dichter und Performancekünstler Bruno Nagel befassten sich Schülerinnen und Schüler der Klasse 10b des Mörike-Gymnasiums in Göppingen mit dem Thema Kunst im öffentlichen Raum.

Kleine Tonfiguren, rote Fadenwörter, Kreidebotschaften und Textskulpturen – wer genau hinsieht, wird an verschiedenen Orten in Göppingen auf sonderbare Spuren treffen, sich wundern, Gedanken machen oder gar ein Andenken mitnehmen. Sollte dies geschehen, so haben die Schülerinnen und Schüler der Klasse 10b des Mörike-Gymnasiums eines ihrer Ziele erreicht: Sie und ihre Arbeiten sind vorübergehend Teil des öffentlichen Raums geworden. In einem zweitägigen Workshop unter der Leitung des Künstlers Bruno Nagel setzten sie sich mit Kunst im öffentlichen Raum auseinander, um sich später selbst mit verschiedenen Mitteln in ihrem städtischen Umfeld auszudrücken – und vielleicht Reaktionen der Passanten hervorzurufen.

„Zunächst geht es darum, eure Selbstwahrnehmung zu schärfen“, erklärte Bruno Nagel den Schülern im ersten Abschnitt des Workshops. Hierzu leitete der Künstler die Klasse bei einer Reihe von Übungen an, welche das Bewusstsein für den eigenen Körper, für Atmung, Stimme und Bewegung schärfen sollten. Über die Themen Gestalt und Form leitete er schließlich zur Skulptur und der Performance über. Ausgehend von dem durch Joseph Beuys geprägten ‚Erweiterten Kunstbegriff‘ vermittelte Bruno Nagel den Jugendlichen das Konzept der ‚sozialen Plastik‘, welche nach Beuys dann entsteht, wenn der Mensch durch kreatives Handeln auf die Gesellschaft einwirkt.

Zur Veranschaulichung präsentierte der gebürtige Geislinger einige seiner Werke und Sprachspiele, die er regelmäßig auf seinem Blog ‚Sprachbehausung‘ dokumentiert. Als Performance- und Lebenskünstler, als Dichter, Maler, Autodidakt und Dozent nutzt er selbst den öffentlichen Raum als Kommunikationsraum. So ist er in Berlin, wo er jährlich mehrere Monate verbringt, als Zaundichter bekannt und erhält bisweilen sogar Antwortgedichte. Charakteristisch für Bruno Nagels Form der Dichtkunst ist dabei die ‚sprachberauschende‘ Wortakrobatik, welche er in Form von ‚Lesereden‘ an meist unkonventionellen Orten aufführt. Für sein junges Publikum vom Mörike-Gymnasium war es spannend, von einem Menschen zu lernen, der sich mit Leib und Seele seinem künstlerischen Schaffen verschrieben hat.

Im zweiten Teil des Workshops nutzten die Jugendlichen schließlich selbst das städtische Umfeld als Kommunikationslabor und erprobten verschiedene Ausdruckformen als temporäre Intervention im öffentlichen Raum. Mit ihrem eigenen Körper oder einfachen Hilfsmitteln wie Holzlatten, Kabelbindern, roter Schnur oder Kreide arbeiteten sie Themen auf, die sie selbst beschäftigen, und dokumentierten ihr Vorgehen mit Bild- und Videoaufnahmen. Im Vordergrund standen Motive wie Freiheit, Umweltzerstörung, sexualisierte Gewalt oder Leben und Tod. Während eine Gruppe mit Absperrband, Kreide, und Einweg-Overalls eine Tatortuntersuchung nachstellte, flochten andere mit roter Schnur das Wort Freiheit in Fenstergitter oder hinterließen im Skatepark Holzschilder mit Wortspielen und Metaphern.

Kunstlehrer Maik Scheermann ist zufrieden und resümiert: „Durch die Begegnung mit professionellen Künstlern wie Bruno Nagel erhalten die Schüler einen ganz anderen Zugang zu Kunst.“ Seine Klasse ist nicht die erste, die in diesem Schuljahr einem Künstler begegnete. Als Kulturschule hat sich das Mörike-Gymnasium zum Auftrag gemacht, kulturelle Bildung fest in den Schulalltag zu integrieren – nicht nur durch Unterrichtsinhalte, sondern auch durch veränderte Lernumgebungen und die Einbindung künstlerischer Verfahren in alle Fächer. Die Zusammenarbeit mit professionellen Künstlern wie Bruno Nagel ist Teil dieses Konzepts.