„Amerika steht am Scheideweg“
Zum Auftakt der Vortragsreihe „weiterDenken ermöglychen“ sprach Prof. Dr. Manfred Berg über die schwierige politische Lage in den Vereinigten Staaten vor den bald anstehenden Midterm Elections. In der bis auf den letzten Platz gefüllten Alten Turnhalle bezog er auch Position zur Frage, ob die USA vor einem neuen Bürgerkrieg stehen.
Göppingen. „Amerika steht vor den Zwischenwahlen zum Kongress schon wieder am Scheideweg“, sagte Professor Dr. Manfred Berg von der Universität Heidelberg. In der vollen Turnhalle des Mörike-Gymnasiums befasste sich der profunde Kenner der amerikanischen Geschichte mit der momentanen gesellschaftlichen Befindlichkeit der USA vor den Midterms und stellte die Frage, ob die Vereinigten Staaten vor einem Bürgerkrieg stünden. Geschichte wiederhole sich nicht, sagte Berg. Gleichwohl zog er Analogien zwischen dem Sezessionskrieg (1861-1865) zwischen den Nord- und Südstaaten der USA und heute.
Es gebe auch heute in den USA keinerlei Kooperationsbereitschaft mehr zwischen den beiden Parteien Republikanern und Demokraten. Sollten die Republikaner bei den Zwischenwahlen im Repräsentantenhaus eine Mehrheit erringen, dann drohe eine Gesetzesblockade.
Berg nannte die Kernprobleme, die schon vor und in der Präsidentschaft Trumps sichtbar geworden seien: Rechtfertigung von Gewalt – als Beispiel der Sturm aufs Kapitol, die Nicht-Anerkennung von Wahlergebnissen („gestohlene Wahl“) und Regeln, die keine Rolle mehr spielten. Der Politikwissenschaftler sprach von einer Horrorvision dieses Amerikas, das auch Auswirkungen auf Europa und die westlichen Demokratien habe, wenn sich diese Tendenzen fortsetzten. Schafften es die gegen Trump opponierenden Republikaner nicht, diese Partei wieder zu einer demokratischen und staatstragenden Partei zu machen, gehe davon eine große Gefahr aus.
Berg sagte, die Anzeichen ähnelten sich wie vor dem „Civil War“ 1861. Er illustrierte dies jeweils mit Beispielen. Es gehe um zwei sich unversöhnlich gegenüberstehende Gesellschaftsmodelle und verschiedene Identitäten, die den jeweils anderen zum „bösen Feind“ erklärten. Die Institutionen verlören an Vertrauen und Legitimation. Bei Wahlen gehe es um Sein oder Nicht-Sein anstatt um den Wettstreit in einer Demokratie. Deshalb sei jedes Mittel zur Manipulation recht. Das Trump-Lager würde schon ankündigen, sollten die Republikaner die Wahlen verlieren, die Ergebnisse nicht anzuerkennen. Der Grund der Polarisierung seien auch ethnische Gegensätze. Gewalt als politisches Mittel werde als legitim angesehen. In den USA gebe es 400 Millionen Waffen in 42 Prozent der Haushalte.
Text: Annerose Fischer-Bucher
Fotos: Marius Pfleghar / Wikipedia
Veröffentlicht: 18.10.2022
Erschienen in der Print-Ausgabe der NWZ am 15.10.2022. Wir bedanken uns recht herzlich bei der NWZ und Frau Annerose Fischer-Bucher für das Bereitstellen des Artikels für unsere Webseite.