Rapper Ben Salomo spricht über Antisemitismus
Hätten Außenstehende am vergangenen Dienstag einen Blick in unsere Alte Turnhalle geworfen, der Anblick hätte bei ihnen sicher Verwirrung hervorgerufen: Von den ungefähr 160 Personen in der Turnhalle standen viele inmitten von Stuhlreihen herum. Manche hatten einen Arm gehoben, andere zwei, und einige standen sogar auf ihren Stühlen. Vor den Schülerinnen und Schülern des MöGys stand ein Mann ebenfalls auf einem Stuhl, in der Hand ein Mikrofon.
Der Mann mit dem Mikrofon, das war Ben Salomo. Als Rapper war es ihm sicher vertraut, vor einer Menschenmenge zu stehen, von denen viele die Arme in die Luft gereckt haben. Aber Ben Salomo war nicht an unsere Schule gekommen, um ein Rap-Konzert zu geben. Seitdem er 2018 der deutschen Rap-Szene den Rücken zugewendet hat, besucht er Schulen in ganz Deutschland und spricht über das Thema, das ihn dazu brachte, mit der Rap-Szene zu brechen und sein erfolgreiches YouTube-Format „Rap am Mittwoch“ zu beenden: Antisemitismus.
Ben Salomo ist Jude und sein Leben wird seit frühesten Lebensjahren auch dadurch geprägt, dass Menschen ihn antisemitisch diskriminieren, beleidigen, bedrohen und ihm Gewalt antun. Die antisemitischen Erfahrungen in der Rap-Szene hatten für ihn 2018 ein solch unerträgliches Ausmaß angenommen, dass er diesen bedeutenden Teil seines Lebens hinter sich ließ.
Zu uns ans MöGy kam er, um über genau diese Erfahrungen zu sprechen. Er erzählt persönliche Geschichten wie jene von seiner ersten antisemitischen Erfahrung. Sein damals bester Freund kündigte Ben Salomo die Freundschaft, als er erfuhr, dass dieser Jude ist, und verprügelte ihn sogar. Oder die Geschichte seines Großvaters, der als Überlebender des Holocaust seinem Enkel von seinen Erfahrungen im KZ berichtete. Bei diesen Geschichten trifft Ben Salomo den richtigen Ton. Die Schülerinnen und Schüler sind begeistert davon, dass er „ihre Sprache“ spricht, ihnen vermitteln kann, wie es ihm in diesen Situationen erging.
Er schlägt aber auch den großen Bogen: spricht über das, was Antisemitismus grundsätzlich bedeutet, und wie verbreitet er ist. Wie er die Vergangenheit der Jüdinnen und Juden auf der Welt geprägt hat, aber insbesondere davon, wie er die Gegenwart für Jüdinnen und Juden prägt. Dass die Leute in der Turnhalle, wie eingangs erwähnt, auf den Stühlen stehen, gehört in diesen Zusammenhang. Ben Salomo hatte die Zuhörenden gebeten, zunächst aufzustehen, dann nacheinander die Arme zu heben und letztlich auf ihren Stuhl zu stehen, wenn sie gängige antisemitische Gerüchte schon gehört haben. Es braucht nur die ersten dieser antisemitischen Lügen und die ersten Personen stehen bereits auf einem Stuhl – sie hatten alle Gerüchte schon einmal in ihrem Alltag gehört.
Und schnell wird allen in der Turnhalle klar: Antisemitismus, das ist nichts, das nur in Schulbüchern steht und in der Vergangenheit spielt. Antisemitismus begegnet uns in unserem Alltag, er ist allgegenwärtig und bedroht Jüdinnen und Juden auf der ganzen Welt. Nachdem zu Beginn des Vortrages noch 90% der Schülerinnen und Schülern glaubten, dass ihnen noch nie etwas Antisemitisches begegnet sei, müssen danach 90% erkennen, dass sie sehr wohl schon antisemitische Lügen oder Symbole gehört und gesehen haben – sie haben sie nur nicht als solche erkannt.
Ben Salomo endet mit einer Hoffnung und einem Appell. Er hofft, dass es ihm gelungen ist, die Sinne der Schülerinnen und Schüler so zu schärfen, dass sie Antisemitismus in Zukunft erkennen. Und er appelliert an die Schülerinnen und Schüler: Auf der Welt gibt es derzeit ca. 15 Millionen Jüdinnen und Juden. Dem gegenüber stehen unter der erwachsenen Weltbevölkerung ungefähr 1 Milliarde Menschen, die an antisemitische Verschwörungsmythen glauben. Für Ben Salomo ist klar: Angesichts dieser Zahlenverhältnisse sind die Jüdinnen und Juden auf dieser Welt darauf angewiesen, dass ihnen all die Menschen, die die antisemitischen Lügen nicht glauben, zur Seite stehen und helfen.
Wir hoffen mit Ben Salomo, dass Jüdinnen und Juden diese Solidarität und Hilfe bekommen, wenn sie aufgrund des Antisemitismus, dem blinden Judenhass, angegangen werden – auch von uns. Und wir danken Ben Salomo für seinen Besuch an unserer Schule. Zuletzt danken wir der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit, die den Besuch Ben Salomos an unserer Schule ermöglicht hat.
Text: Cornel Eckert
Veröffentlicht: 25.11.2024