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Können Unternehmen sozial sein?“ oder Sind Unternehmen per se sozial? Ein spannender Vortragsabend am MöGy über den gesellschaftlichen Charakter von Unternehmen
„Können Unternehmen überhaupt unsozial sein?“. Dominique Döttling, Unternehmensberaterin, Hochschuldozentin und Expertin für Veränderungsprozesse, überrascht ihr Publikum in der Mensa des Mörike Gymnasiums immer wieder mit herausfordernden Fragen. Dies gilt schon für die Art ihres Vortrages in der Veranstaltungsreihe „Querdenken ermöglychen“, denn entgegen aktueller Präsentationspraktiken verzichtet sie auf alle technischen Hilfsmittel und spricht frei vor ihren Zuhörern. Das kommt gut an, schlagfertig und humorvoll nimmt die rhetorisch beschlagene ehemalige MöGy-Schülerin die Schüler, Eltern und Lehrer mit in ihrer Analyse der strittigen Frage, ob Unternehmen denn sozial sein könnten. Über die Voraussetzungen ist sich die Unternehmensberaterin bei ihrem Auftritt in einer Schule im Klaren. Aus der Fragestellung trete das Misstrauen gegenüber der Wirtschaft hervor, bemerkt sie einleitend.
Die vielen anwesenden Wirtschafts- und Gemeinschaftskundeschüler sollen aber „auf jeden Fall etwas mitnehmen“ und so beginnt sie mit Definitionen der Begriffe „sozial“ und „gerecht“. „Da wird es schnell ideologisch“, so ihr Fazit. Einfacher sei da die Klärung dessen, was ein Unternehmen sei. Um es kurz zu machen, man habe zu klären, wer hafte und wer den Gewinn bekomme. Und wann wird es dabei sozial? Dominique Döttlings Antwort: „Eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) ist man schnell“. Und schon leiste man mittels Steuern und Abgaben einen Beitrag zur Gemeinschaft. Sicher keine unumstrittene These. Pate ihrer Überzeugung ist Ludwig Erhard, der in der Öffentlichkeit stellvertretend für die Entwicklung der „Sozialen Marktwirtschaft“ nach dem Krieg steht. Deren Voraussetzungen aber, warnt Döttling, würden zunehmend untergraben. Zwei Entwicklungen seien hierfür verantwortlich. Zum einen der demographische Wandel, zum anderen „Auswüchse, die das System zermürben“. Darunter versteht sie verkrustete Netzwerke in den öffentlichen Institutionen und veraltete Rituale eines Verbändestaates, die sich seit den 1960er Jahren ausgebreitet hätten.
Beispielhaft für die Fehlentwicklungen seien die Kuriositäten des ermäßigten Mehrwertsteuersatzes: „Was meinen Sie, wofür Sie mehr Steuern zahlen? Für die Möhre oder den Möhrensaft?“, verdutzt sie die Zuhörer. Das schöne System soziale Marktwirtschaft, das einst gewährleistet habe, dass der Einzelne sich entwickeln und alle teilhaben konnten, funktioniere nicht mehr. „Wir hams a bissle schleifen lassen“, weshalb man das System wieder in Gang bringen müsse, um seine sozialen Vorteile wieder deutlich hervortreten zu lassen, mahnt Döttling. Freilich sei der soziale Charakter eines Unternehmens nur zu gewährleisten, wenn Profite gemacht würden, ohne harte Entscheidungen gehe dies nicht.
Ihre Thesen führen zu einer kontroversen Diskussion über den allgemeinen sozialen Charakter der Unternehmen. Ob denn diese wirklich nur kurzfristig unsozial seien und weshalb es denn spezielle „fair trade“ Produkte gebe, wenn Unternehmen per se sozial seien, interessiert die Schüler.
Dominique Döttling verweist hier auf die Verantwortung des Konsumenten, räumt aber auch ein, dass das Auseinanderdriften von Gewinn und Haftung in der Wirtschaftswelt gefährlich sei. Auch problematisch sei, wenn Kapital mehr Ertrag schaffe als Arbeit.
Bei anschließenden Diskussionen über das soziale Auseinanderdriften der Gesellschaft, dem Umgang mit vererbtem Vermögen und der Notwendigkeit von Arbeitskämpfen wird das eingangs erwähnte Misstrauen gegenüber dem System Wirtschaft aber doch noch deutlich. Mit diesen Anregungen geht ein spannender und interessanter Vortragsabend zu Ende, der sicherlich fruchtbare Diskussionen im Wirtschafts- und Gemeinschaftskundeunterricht am Mörike-Gymnasium anstoßen wird.
Arnold