das ist wohl Anlass für ein besonderes Abiturjahrgangstreffen in Göppingen, freilich auch im Mörikegymnasium selbst! - und ein paar Gedanken dazu.
Wenn Sie, liebe Leser/innen, die 50-jährigen „Abitur- Omis“ auf dem Foto betrachten, dann vergessen Sie nicht, 10 Kindheitsjahre und 9 Gymnasialjahre dazu zu rechnen, da dürfen wir wohl schon etwas „alt“ aussehen.
Nicht zuletzt weil die „MÖGY“- Zeit für uns bedeutsam und prägend war, kamen heuer im Mai 17 der ehemals 29 Abiturientinnen zu einem zweitägigen „historischen“ Treffen. Drei Klassenkameradinnen sind leider schon verstorben, einige waren krank.
Vieles war damals freilich zeitbedingt anders beispielsweise dass von weit über 100 „Erstklässlern“ nur 29 Abitur machten, dass das „MÖGY“ eine reine Mädchenschule war, dass es sehr viele Fahrschüler aus dem weiteren Umkreis gab wie z.B. mich Donzdorferin. Wie viel Zeit verbrachte ich auf zugigen Bahnhöfen! Auch dass es ein großes Privileg war, das Gymnasium besuchen zu dürfen. In meiner Grundschulklasse gab es noch viele andere begabte Mädchen!
Zum Auftakt unseres „Jubiläums“ trafen wir uns im MÖGY, wo uns freundlicherweise Schulleiter Karim Doosry führte. Er wies uns auf die architektonischen Qualitäten und Besonderheiten unsrer vertrauten, alt-ehrwürdigen Bonatz - Schule hin, die wir mit vielen Erinnerungen verbinden konnten. Wir durften in unserem ehemaligen Klassenzimmer sitzen und von früher erzählen - umgekehrt „lernten“ wir die neuen Herausforderungen, Konzepte mit besonderen, sogar musischen Schwerpunkten der jetzigen Schule kennen. Im offenen Atrium des architektonisch gelungenen Neubaus spürten wir noch länger bei einem Glas Sekt der Zeit nach, als hier die Wurzeln unserer Bildung gelegt wurden, die uns so vielfältige Möglichkeiten für unser berufliches, geistiges und persönliches Leben bot.
Neun gemeinsame Schuljahre schaffen zwischenmenschliche Beziehungen -selbst ohne facebook ! Mich verbindet bis heute mit zwei Mitschülerinnen eine enge tragfähige Lebens –Freundschaft. Ein „harter Kern der Göppingerinnen“ trifft sich regelmäßig zum Stammtisch und lädt alle 5 Jahre zu einem erweiterten Abi-Treffen. Daraus erwuchs später eine schöne, zur Nachahmung empfohlene Form der Kontaktpflege. Die Kinder waren flügge, das Berufsleben neigte sich dem Ende zu, als eine reisefreudige Gruppe begann, Kameradinnen an ihren jetzigen Wohn- und Lebensorten zu besuchen. So waren wir am Überlinger See, in Schifferstadt/Speyer, Mannheim, Lauterstein, München und bekamen jeweils sehr persönliche exquisite Privatführungen. Ehemalige Rivalitäten und jugendlich-pubertärer Wetteifer ist Vergangenheit, wir begegnen uns in „altersweiser“ Offenheit und kommen uns näher.
Noch ein paar persönliche retrospektive Gedanken an die Abitur- Zeit (1961) seien erlaubt. Zum Glück relativieren sich manch heikle Erinnerungen im Laufe der Jahre. So endete irgendwann der immer wiederkehrende Albtraum, dass ich im ehemaligen Kunsterziehungsraum Matheabitur schreiben soll und dass mir keine einzige Formel mehr einfällt.
An meinem Abi- Besinnungsaufsatz dagegen denke, schreibe und formuliere ich heute noch herum – er wurde mir geradezu ein Lebens-Motto. Der Titel lautete etwa: “ Man sagt, die Welt sei heute kleiner geworden. Was heißt das und welche Probleme ergeben sich daraus?“. Den Begriff „Globalisierung“ gab es damals noch nicht! Geprägt von einem fundierten Geschichtsunterricht und meiner humanistischen Bildung versuche ich bis heute nach dem Grundsatz „global denken, lokal handeln“ zu leben.
Unser Abitursausflug ging damals schon in die „große weite Welt“: Drei Tage München – für mich Donzdorfer Mädle ein Traumstadt! Seit fast 50 Jahren darf ich mit meiner Familie hier leben und sowohl aktiv wie passiv am kulturellen und politischen Leben der Stadt teilnehmen. Wie schön!
Und trotzdem: Wenn sich der Schnellzug München - Stuttgart meiner Heimat nähert schlägt mein Herz ein wenig schneller: Der Ramsberg, das Staufeneck, die drei Kaiserberge, die Stadt Göppingen!
Nach dem schon erwähnten Auftakt im MÖGY führte uns die Stadtführerin Frau Katharina Müller mit viel persönlichem Engagement durchs heutige Göppingen und ich nahm nachhaltige Eindrücke mit nach Hause. Stellvertretend seien erwähnt: Die orginellen Vignetten eines einheimischen Künstlers im Rathaussaal, das wunderbare Bronzeportal von Kurt E. Grabert am Portal der Stadtkirche und dass die „Stolpersteine“ vor ehemals jüdischen Häusern hier - im Gegensatz zu München - realisiert werden konnten!
Zuletzt freuten wir uns beim Abschiedsessen im Honey-Do über den wundervollen unvergleichlichen Blick über die heimatlichen Täler und Höhen.
Eine Kameradin musste sich aus gesundheitlichen Gründen schon vorzeitig verabschieden. Sie hatte Tränen in den Augen, als sie zu mir sagte: „Ich habe dich immer besonders gern mögen“. Ja – so kann man sich auch nach 50 Jahren mit wenigen Worten noch etwas ganz Wichtiges sagen und sehr viel an Empfindung hervorrufen.
Die Göppingerinnen hatten das 50-jährige Abi-Treffen sehr gut durchdacht und vorbereitet. Ich möchte ihnen hiermit nochmals im Namen aller Beteiligten herzlich danken.
München im Mai 2011 Ursula Schelbert geb. Nagel