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Thesenanschlag allerorten

1517 lud der Mönch und Professor Martin Luther mit 95 Thesen zu einem wissenschaftlichen Streitgespräch ein. Sein Thema war der Ablass von Sündenstrafen, seine Zielgruppe christliche Gelehrte. Daraus wurde – vollkommen unbeabsichtigt – das, was wir heute „Reformation“ nennen. Es folgten Kriege und bürgerkriegsähnliche Auseinandersetzungen, Streit bis in Familien hinein und neue Erkenntnisse. Was Luther vor 500 Jahren angriff, berührte eben damals sehr viele in Deutschland existenziell.

Was wäre heute ein Thema für provozierende Thesen, natürlich weniger als 95?
Was ärgert uns?
Was an Themen brennt uns auf den Nägeln?
Welche Einrichtungen oder Institutionen bringen uns mit ihrer Tätigkeit oder Untätigkeit auf die Palme?
Welche sind viel zu wenig beachtet, obwohl sie großartige Arbeit leisten?
Was wollen wir unterstützen?
In welchen Bereichen halten wir deshalb eine Auseinandersetzung, ein Streitgespräch, das unsere Thesen auslösen soll, in der Öffentlichkeit für besonders wichtig?
Wen wollen wir und wie zum Denken anregen?
Wie persönlich wollen wir uns engagieren in der Diskussion, die leicht ein Disput werden kann?
Wo sind die Grenzen von Legalität des politischen Eingreifens?

Das sind die wichtigsten Grund- und Leitfragen eines Workshops, der Göppingen und die Göppinger erreichen, vor allem aber Denk- und Tatfreude verbinden soll.

Intensiv setzten sich die Schülerinnen und Schüler mit den Inhalten und Möglichkeiten eines aktuellen Thesenanschlages auseinander. Insbesondere das Thema Gerechtigkeit schien den jungen Menschen auf dem Herzen zu liegen: Und so wurden u.a. die Bereiche Umweltschutz / Generationengerechtigkeit, die ungleiche Vermögensverteilung in Deutschland sowie der ganzen Welt und das Thema „Hunger“ bearbeitet und sprachlich wie künstlerisch anspruchsvoll umgesetzt. Auch die Schwierigkeit, solch komplexe Themen knapp und präzise darzustellen, die zugleich auch zum sofortigen Nachdenken anregen sollen, wurde bewundernswert bewältigt. In „Guerillataktik“ wurden die Ergebnisse des Workshops dann im Bereich der Göppinger Innenstadt an stark frequentierten Punkten „angeschlagen“.

Auch wenn die Plakate am Ende aufgrund von Auflagen des Ordnungsamtes nicht allzu lange in der Stadt hängen bleiben konnten, so gab es doch einige Denkanstöße, die nicht zuletzt durch die kluge und herausfordernde Art des Referenten Rolf-Bernhard Essig zustande kamen.