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Soziale Medien: eine Gefahr für die Demokratie?

Wie ist es möglich, dass die Teilnehmerzahl bei den PEGIDA-Demonstrationen innerhalb weniger Wochen von wenigen hundert auf mehrere tausend hochschnellte – noch bevor die breite Öffentlichkeit von den Demonstrationen erfuhr? Weshalb wurde gegenüber Politikern, Presselandschaft und Andersdenkenden schon von Beginn an ein untypisch harter und konfrontativer Ton an den Tag gelegt? Überrascht von Eindrücken wie diesen, entschloss sich der Kommunikationswissenschaftler Prof. Dr. Wolfgang Schweiger den Hintergründen des Phänomens PEGIDA näher auf den Grund zu gehen. Die Erkenntnisse seiner Arbeit präsentierte er nun in einem spannenden Vortrag im Rahmen der Reihe „Querdenken ermöglychen“ in der Mensa des Mörike-Gymnasiums Göppingen.

Zunächst legte der Dozent der Universität Hohenheim dar, wie das Internet die Art der politischen Informationsbeschaffung entscheidend verändert habe. Früher informierte man sich über Zeitungen und Rundfunk, bei denen bereits eine qualitative journalistische Vorauswahl über bestimmte Meldungen getroffen war. „Alternative, manipulierende Medien erkannte man in dem Zeitalter häufig an ihrer einfachen Machart, beispielweise die mit fehlerhaften Texten überzogenen Flyer in der Mensa der Universität.“ Heutzutage sei dies aber bedeutend schwieriger geworden, da durch das Internet der direkte Zugriff auf verschiedene Quellen möglich sei. Hier entfalle die Überprüfung des Wahrheitsgehalts durch Journalisten, so dass die Leser selbst herausfinden müssten, ob die Schlagzeile wahr oder unwahr ist.

Allerdings seien alternative Medien, die den Leser durch einseitige Informationen oder Falschmeldungen aktiv beeinflussen wollen, heutzutage aufgrund ihrer professionellen Aufmachung nur noch schwer als solche auszumachen. In einem Experiment des Professors mit Studierenden lag die Erkennungsquote von falschen Schlagzeilen bei lediglich 50 Prozent – was dem Niveau des Zufalls entspreche. Als Beispiel für ein solches alternatives Medium wurde der Nachrichtenkanal „RT“ (zuvor Russia Today) angeführt, dessen Berichterstattung von der russischen Regierung gesteuert werde. Durch das mangelhafte Hinterfragen und gleichzeitige häufige Weiterleiten falscher Meldungen hätten sich die sozialen Netzwerke zu „richtigen Fake-News-Schleudern“ entwickelt.

Neben diesen sogenannten „Fake-News“ hätten aber auch die sozialen Netzwerke wie Facebook, Instagram und Snapchat zu den rasch steigenden Teilnehmerzahlen und der verschärften Tonlage bei den Demonstrationen in Dresden beigetragen: „Durch automatisierte Algorithmen werden die auf diesen Netzwerken als Neuigkeiten angezeigten Inhalte auf die Interessen der jeweiligen Nutzer zugeschnitten. „Das Ziel ist hierbei eine möglichst hohe Aktivierung der Anwender, um eine längere Verweildauer der Anwender auf diesen Netzwerken zu erreichen“, so Prof. Schweiger. Als Folge würden intensive Nutzer sozialer Netzwerke aber nun vorwiegend bereits bekannte Inhalte und Meinungen präsentiert bekommen, was zu einem Leben in der „Filterblase“ führe. Die Konfrontation mit anderen Meinungen und Meldungen, wie sie in der Presselandschaft sonst häufiger zu finden sind, nehme ab.

Überdies führten diese algorithmisch personalisierten Kanäle zu sogenannten „Echokammern“: Anwender landen häufiger auf Nachrichtenseiten oder Foren, die ihrer Meinung und Interessen entsprechen, und treffen in Diskussionen stets auf ähnlich Denkende. Dies führe dazu, dass sich die Personen auf diesen Seiten gegenseitig in ihrer Meinung bestätigten, und diese Meinungen schließlich mit gestärktem Selbstbewusstsein auch in die Öffentlichkeit trügen. „Dies erklärt, weshalb sich beispielsweise Herr Müller bei solchen Demonstrationen als Vertreter des Volkes betrachtet. Dass er innerhalb von Filterblase und Echokammer vielleicht nur einseitig informiert wurde, kommt ihm gar nicht in den Sinn“, folgert Schweiger.

In einer selbst durchgeführten, repräsentativen Internetstudie fand Prof. Schweiger heraus, dass sich rund 25 Prozent der heutigen Erwachsenen ausschließlich durch soziale Medien über die aktuellen Geschehnisse informierten. Auch wenn er dieses Ergebnis und die damit verbundenen Auswirkungen auf die politische Kultur im Land nicht selbst bewerten wollte, so gab er den jüngeren Anwesenden im Raum doch den Tipp, sich direkt über die Webseiten oder Druckausgaben der Qualitätsmedien zu informieren, um einen geweiteten und qualitativen Blick über die aktuellen Ereignisse zu erhalten – und sich nicht nur auf die sozialen Netzwerke zu verlassen.

Als er die Jugendlichen und jungen Erwachsenen im Raum schließlich direkt fragte, auf welche Art und Weise sie sich informieren würden, zeigte er sich überrascht: Nur einzelne jüngere Schülerinnen und Schüler gaben an, sich bisher noch ausschließlich über die sozialen Medien zu informieren. Alle anderen erklärten, sie würden ohnehin schon weitere Quellen hinzuziehen. Ob diese Zahlen allerdings verlässlich und repräsentativ sind, ist dem Autor dieses Artikels nicht näher bekannt.